Was Rennpferde mit Grammatik zu tun haben

27 Mai 2016
Wie ich auf die Rennpferde kam

Auf die Rennpferde bin ich gekommen, als ich mir einen Antagonisten für meine Heldin ausdenken musste. Wenn Salli Deutschlehrerin ist, dann sollte sie natürlich einen Schüler haben, der sich das alles mit dem Satzbau anhören muss. Es sollte ein intelligenter Mensch sein, aber keiner, der gleich alles brav schluckt. Salli sollte ihre Not haben mit ihm. Also brauchte ich einen klugen, aber bockigen Mann, einen, der ein ganz anderes Leben führt als die Heldin. So trat langsam die Figur des Sergey aus dem Nebel. Ein Russe – also jemand, dessen Muttersprache auch nicht gerade einfach ist. Und der in seiner Heimat guten Unterricht hatte – der Sprachunterricht in Russland ist hervorragend, das weiß ich von meiner Arbeit dort. Ein Russe, der mit Pferden arbeitet, also einen komplett anderen Umgang hat als die ängstliche Salli. Und die Pferde sollten Rennpferde sein.
 
Rennpferde laufen auf ein Ziel zu. Der deutsche Satz auch.
 
Dass es gerade Rennpferde waren, die mir in die Grammatik gerieten, war erst recht kein Zufall. Rennpferde haben einen besonderen Ruf. Sie sind edel, in manchen Fragen brauchen sie besondere Aufmerksamkeit – ebenso wie die deutsche Grammatik. Und eines haben diese Tiere  – das lässt sich schon vorab und ohne jeden Kontext sagen – tatsächlich gemeinsam mit dem deutschen Satz: Wenn den Rennpferden auf der Zielgeraden die Wattestöpsel aus den Ohren gerissen werden, wenn plötzlich der Lärm der Bahn auf sie einprasselt, dann springen sie nicht entsetzt in die Büsche, wie andere Pferde es tun würden – sondern beschleunigen. Rennpferde laufen auf ein Ziel zu. Der deutsche Satz tut das auch. Ausländer, die Deutsch gelernt haben, wissen das meist. Muttersprachler eher nicht.

Nileo auf dem Weg zum Ziel. Im Sulky Josef Franzl. © Frank Sorge. 
 

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