K 6 – Doppelnamen, Wortpaare und "nicht"

28 Juni 2016
Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist
 
Der rhythmische Schwung, der unser Sprachgefühl trägt, reicht bis in die Namensgebung: Ann-Kathrin, Marie-Luise, Hans-Jürgen und Karl-Theodor. Keine deutsche Mutter würde ihren Sohn Theodor-Karl rufen. Und bei mehreren Namen? Kaspar, Melchior und Balthasar heißt es in der Bibel; Tom und Jerry im Comic. 
 
Gott Vater, Gott Sohn und – der Heilige Geist bleibt der letzte in der Reihe. In diese Ausführung hing er in Bayern früher übrigens gern über dem Esstisch und wurde wegen seiner Positionierung liebevoll "Suppenbrunzer" genannt.
 
Poetische Wortpaare
 
Das gleiche bei idiomatischen Wortpaaren, die sich ohnehin schon poetisch aufbauen durch den (häufigen) Gleichklang ihrer Anfangslaute:
 
Kopf und Kragen hat Sergey heute riskiert.
Salli hat am gleichen Tag Gift und Galle gespuckt.
Sehen wir es ihr nach: Sie war wirklich fix und fertig.
 
Präpositionen machen dick
 
Vielleicht wirkt das Klanggesetz auch mit, wenn wir in einem Satz ein Objekt zusammen mit einer lokalen Ergänzung unterzubringen haben. Lokale Ergänzungen antworten auf die Frage nach dem Wo oder Wohin. Sehr oft brauchen wir dafür im modernen Deutschen eine Präposition, die mit einem Nomen zusammenarbeitet. Und schon ist die Ergänzung länger als das Objekt:
 
Salli hält sich       die Hand    vor den Mund.
Barbara schüttet  Sekt           auf das Tischtuch.
Der Bauer sitzt    Sergey       im Genick.
 
So klein sie sind – Präpositionen machen ein Satzglied dicker; das mit einer Präposition bestückte Satzglied wird schwerer und kippt auf das Satzende zu. Weshalb die unscheinbaren Präpositionen sogar daran beteiligt sind, einem Wort seinen Auftritt zu rauben, das für sich hochdramatisch wirkt. Es ist das Wort nicht
 
Die Dramatik des nicht
 
In vielen Sprachen steht seine Entsprechung irgendwo in der Nähe des Verbs. Die deutsche Sprache kümmert sich um einen effektvolleren Platz. Sollten wir etwa geglaubt haben, dass Sergey demnächst die Mäuse in Daglfing vergiften wird, dann konfrontiert uns diese Partikel mit einer Neuigkeit:
 
Sergey vergiftet die Mäuse nämlich nicht
 
Nicht hat das letzte Wort, es steht nach dem Akkusativobjekt, nach dem Dativobjekt. Aber es muss zurückweichen, wenn sich ein mit einer Präposition angereichertes Satzglied Zutritt zur Endposition verschafft hat:
 
Wird Salli ein Schlücklein Alkohol zu sich nehmen? 
Ja! Heute Abend verzichtet sie nicht auf den Schampus!
 
Drei gewichtige Argumente haben die Worte bisher ins Spiel gebracht, um sich einen Platz an der prominentesten Stelle im Satz zu ergattern: 
 
belebt vor unbelebt
bekannt vor unbekannt
unwichtig vor wichtig
 
Und nun kommt etwas daher, das einfach nur dicke sein muss, um ein Ende zu werden: 
  
kurz vor lang.
 
Aber auch damit ist der Kampf der Wörter um den besten Platz noch nicht entschieden. Ein einziger, unscheinbar wirkender Artikel vor einem Nomen vermag alle bisherigen schlauen Schlachtpläne über den Haufen zu werfen. Doch dafür müssen wir natürlich erst erfahren, was ein Artikel überhaupt kann, warum Sergey so wenig über sein altes Leben erzählen mag und warum in Sallis Träumen auf einmal ein Zebra vorkommt.

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