Deutsch von außen sehen

29 Mai 2016
Warum ist etwas, wie es ist?

Sergey Dyck, dem Helden aus der „Grammatik der Rennpferde“ geht es bei Erklärungen ähnlich wie uns. Sergey ist mit Pferden aufgewachsen. Er weiß alles über Pferde, und auf Fragen wie „Warum fressen Pferde Heu?“ oder „Wieso brauchen sie Hufeisen?“ lautet seine Antwort stets „Ist es so.“ Warum kann er Salli, die doch so gerne von ihm lernen möchte, nichts erklären? Weil er zu nahe dran ist an seinem Gegenstand. Alles, was mit Pferden zu tun hat, ist ihm selbstverständlich. Um sein Wissen in Worte zu fassen, müsste er einen Schritt zurücktreten, er müsste Abstand nehmen zu seinem eigenen Expertentum.


Abstand nehmen von der eigenen Sprache

Abstand nehmen von der eigenen Sprache ist das, was die Leute tun, die sie als Fremdsprache unterrichten. Sie schauen sie an mit den Augen ihrer Schüler, sie betrachten sie von außen. So als ob sie fremd wäre. Manchmal vergleichen sie sie auch mit anderen Sprachen. Der Blick auf anderes lohnt sich fast immer. Auf andere Sprachen wie Englisch, Italienisch, Chinesisch. Oder auf ein Deutsch, das vor mehreren hundert Jahren gesprochen wurde und das seine Spuren in unserer modernen Welt hinterlassen hat. Oder überhaupt auf das Verständnis von Grammatik.

Grammatik heute

Auch das hat sich ja im Laufe der Zeit gewandelt. Für die alten Griechen gehörte sie neben Logik und  Rhetorik, also der Kunst, gefällig und überzeugend zu sprechen, zu den drei wichtigsten Künsten. Auf dieser Rankingliste dürfte sie inzwischen überholt worden sein durch die Naturwissenschaften. Doch gibt es auch heute noch Grammatik-Kenner, die verschnupft reagieren, wenn sie einen in ihren Augen fehlerhaften Sprachgebrauch entdecken. Und andere (meist die, die etwas mehr wissen), die versuchen, diesen Gebrauch zu erklären. Grammatik umfasst zwar eine ganze Reihe von Teilgebieten wie zum Beispiel die Lehre vom Laut oder von der Bedeutung. Wenn im heutigen Deutschunterricht von Grammatik die Rede ist, sind aber meist nur zwei Dinge gemeint: die Formenlehre, auf Griechisch heißt das Morphologie, und die Lehre vom Satzbau oder griechisch und gelehrt: die Syntax.

Syntax und Morphologie

Von den beiden Themen ist die Morphologie eine vergleichsweise langweilige Angelegenheit. Da lernt man, dass man bei einigen Wortarten auf die Endungen aufpassen muss, dass zum Beispiel aus einem rassigen Fohlen ein viel versprechendes Rennpferd werden kann. Für Ausländer ist es oft eine harte Zeit, bis sie all diese vielen Endungen gelernt haben. Aber irgendwann kann man das und dann ist auch wieder Ruhe, denn einmal gelernt, stehen die Endungen in jedem Falle fest. Während wir beim Satzbau fast immer die Wahl haben.

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