K 5 – Hierarchie unter Objekten
21 Juni 2016
(a) Bekanntlich stört Katzen großer Lärm.
(b) Bekanntlich stört großer Lärm Katzen.
DUDEN Band 4, Die Grammatik, 2009, p 872
Welcher Satz klingt neutral?
Belebtes, Unbelebtes
Die Deutschlehrerin Salli ist eine weichherzige Person. Wenn eine Wespe getötet werden soll, macht ihr das zu schaffen. Und es ist ja auch ein Unterschied, ob ein Insekt tot ist oder lebendig. Ein „totes Handy“ dagegen dürfte weder bei ihr noch bei sonst jemandem Mitgefühl erzeugen. Bei aller Vermenschlichung von Computern, Fahrzeugen und anderen Maschinen ist uns klar, dass wir uns metaphorisch verhalten, wenn wir Schiffe taufen oder unseren PC anschreien.
Spanisch, Russisch, Japanisch ...
So elementar ist der Unterschied von tot und lebendig, dass er sich sprachlich Geltung verschafft. Vielen Sprachen ist er gar eine eigene grammatikalische Rubrik wert. Das Russische etwa gönnt unter seinen maskulinen Nomen im Akkusativ nur denen eine fesche Endung, die etwas Belebtes bezeichnen. Das Spanische hält es ähnlich und verleiht ausschließlich einem belebten Objekt die Präposition a. Und wenn Japaner zählen, dann hängen sie an das Zahlwort ein Suffix an, das sich je nach Art des Gegenstands unterscheidet: Menschen werden anders gezählt als längliche Gegenstände oder Fußbekleidungen.
Deutsch
Auch das Deutsche nimmt Rücksicht auf den Unterschied von belebt und unbelebt. Am auffälligsten durch die Fragepronomen. Wer, wen und wem fragen nach Personen, was nach Sachen. Der Dativ, der sich nur für Personen zuständig sieht, besitzt kein Fragewort für Sachen. Wem ähnelt die schöne Studentin aus Kreta? Einer Göttin?, hat Salli sich gefragt. Bei dem Mäusekot in ihrem neuen Domizil – obwohl er wirklich wie Kümmelsamen aussah – klänge ein *wem sieht er ähnlich? seltsam.
Wem ähnelt sie?
Bockige Personalpronomen
Bockig werden können auch die Personalpronomen er und sie, wenn sie mithelfen sollen, unbelebte Dinge miteinander zu vergleichen. Es ist schon passiert, dass Salli die Kollegen Anselm und Barbara nebeneinander stehen sieht, um mit Befriedigung zu bemerken, dass sie einen Zentimeter größer ist als er. Auf der Rennbahn in Daglfing gibt es einen Stall und eine Scheune, die sich gleichfalls in der Größe unterscheiden. Aber *sie ist einen Meter länger als er lässt sich da nicht sagen. Zu stark lebt bei solchen Vergleichen die Erinnerung daran auf, dass es das eigentliche Geschäft von Personalpronomen ist, sich auf leibhaftige Personen zu beziehen.
Grammatikalisch lässt sich der Aspekt von Belebtheit noch feiner unterscheiden, nämlich in die Kategorien
Lebewesen und Person.
Die deutsche Sprache jedenfalls tut das, wenn sie Präpositionen mit Pronomen zusammen flicht. Mit darum, damit, darauf etc – Wörtern, die auf den sperrigen Namen „Präpositionalpronomen“ hören –, bezieht man sich auf Sachen. Bei Personen dagegen braucht es die Präposition und das Personalpronomen als zwei voneinander geschiedene Wörter: um sie, mit ihr, auf ihn usw.
Manche Leute sehen Tiere als Personen
Manchmal entscheidet da die subjektive Einstellung der Sprecher über die Grammatik: Wenn Sergey zum Beispiel seiner Stute das Euter wäscht und ihre Mähne einflicht, dann würde er auf die Frage, warum er das tut, antworten: „Kümmer ich halt um sie!“ Salli hingegen, zur gleichen Sache befragt, gäbe die Antwort: „Er kümmert sich eben darum.“ Und damit ausdrücken, dass sie das Tier so ganz als ihresgleichen doch nicht anerkennen möchte. Vorläufig jedenfalls.