Der gelungene deutsche Satz

1 Juni 2016
Wann ist ein deutscher Satz gelungen?
 
Nehmen wir dazu noch einmal eine Szene mit Pferd: 

Nileo am 18. 12. 2014 in Daglfing; im Sulky Josef Franzl © Franz Hahn
 
Wie sollte ein Satz aussehen, der die Szene beschreibt? So vielleicht: 
 
Auf der Zielgeraden lässt dieser Hengst wie üblich seine Zunge im Wind flattern.
 
Ist der Satz grammatikalisch korrekt? – Zweifellos. Wie steht es mit diesem hier:
 
Wie üblich lässt dieser Hengst auf der Zielgeraden seine Zunge im Wind flattern.
 
Auch gut. Und jetzt:
 
Dieser Hengst lässt wie üblich auf der Zielgeraden seine Zunge im Wind flattern.
 
Korrektes Deutsch. 
Aber wie klingt er? Besser oder schlechter als sein Vorgänger? 
Was ist mit diesem hier:
 
Seine Zunge lässt dieser Hengst wie üblich auf der Zielgeraden im Wind flattern.
 
Regelverstoß oder nicht?
 
Hm. Irgendetwas holpert hier. Aber einen richtigen Regelverstoß können wir dem Satz auch nicht nachweisen. Oder? 
Ja, und damit sind wir bei unserer Aufgabe: Regeln herauszufinden, nach denen ein Satz nicht nur korrekt, sondern auch schön ist. Oder gut gewichtet. Angemessen. Gelungen. Denn eben das ist das Ziel unseres Grammatikblogs: der gelungene deutsche Satz.
 
Wirkliche Sätze 
 
Wenn wir wissen wollen, wann ein deutscher Satz gelungen ist, hilft uns der Apfel essende Hans nicht weiter. Denn Sätze existieren ja in der Wirklichkeit nicht so, wie sie uns im Duden begegnen, als isolierte Einheiten wie Der Zug fuhr langsam oder Ines half dem Igel [aus Duden Bd.4 Auflage 8 Klappe]. In der Wirklichkeit leben sie in Texten, wo jeder Satz seine Umgebung hat, einen Satz vor und einen nach sich, und diese Umgebung, wie auch der Tonfall jedes Textes geben uns erst Aufschluss darüber, wann man einen Satz als gelungen ansehen könnte. Diese Umgebung werden uns Salli und Sergey stellen. Keine Sorge, sie liefern uns nur die Beispielsätze. Die Geschichte um die Rennpferde steht ja schon im Roman. 
 
Der Pluralis Modestatis
 
Bevor es nun gleich richtig losgeht mit dem Ersten Kapitel unseres Grammatikkompendiums, möchtest du, lieber Leser, vielleicht noch wissen, wer eigentlich dieses wir ist, das jetzt schon ein paar Mal vorkam? Es ist ein „wir“, das die Wissenschaftssprache erfunden hat, es versteht sich selbst weniger königlich als kollegial und bescheiden. Denn auch du als Leser bist damit gemeint. In diesem Sinne grüßen uns zum vorläufigen Abschluss sehr freundlich
Wir selber.
 
Das Übliche
 
P.S. Das Übliche: Dass weder für das Buch noch für den Blog Tiere gequält wurden, Menschen höchstens ein kleines bisschen und nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen keinesfalls beabsichtigt sind. Und nun können wir endlich an den Start gehen. Zusammen mit einer ziemlich aufgeregten Salli, die sich gerade überlegen muss, was sie in ihr Telefon sagen soll. Ein Wort wird sie brauchen, so viel steht fest für sie. Gut, fangen wir also an mit den Wörtern.

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