K 3 – Die Endposition im Satz

16 Juni 2016
Erstes Zwischenergebnis

In den allermeisten deutschen Sätzen finden wir wie gesehen das bedeutungstragende Verb auf der Endposition. Diese Erkenntnis ist ein kleiner Meilenstein auf unserem bisherigen Weg. Wir wollen uns deshalb die Endposition noch einmal genauer anschauen. Es lohnt sich. 

Denken wir mal an den Roman über Salli und Sergey: Wäre uns gedient gewesen, wenn wir auf der ersten Seite schon hätten lesen können, wie das ausgehen wird mit den beiden und der Stute? Nein, denn dann hätten wir das Buch ja gleich wieder zugeklappt. Nur solange wir etwas noch nicht wissen, warten wir gespannt auf die Auflösung. Beim Satz ist das wie bei einem Roman oder Krimi. Wir fiebern auf die finale Erklärung. Und die kommt fast stets mit dem Verb.

Schwieriges auch für Muttersprachler:

So erklärt sich übrigens auch eine Kuriosität im deutschen Nebensatz: Es kann nämlich passieren, dass sich in eine Perfektkonstruktion durch ein Modalverb noch ein drittes Verb hinein drängelt: 

Da war mal ein wundervoller Hengst am Ural – 
               V1                                        V3                       V2
von dem hat Sergey sich nicht mehr verabschieden können. 

Wenn wir daraus einen Nebensatz machen wollen, stellt sich die Frage, wie wir unsere drei Verben platzieren. Wie traurig, dass...? So gilt es als richtig:    
 
                                                                                 V1  V3                    V2
Wie traurig, dass Sergey sich von dem nicht mehr hat verabschieden können.

Irritiert?

Wer hiervon irritiert ist, hat gut aufgepasst. Schließlich sagte unsere letzte Regel, dass im Nebensatz das finite Verb (V1) die Endposition besetzen soll. Hier ist es aber an den Anfang der Kette aus drei Verben gerutscht. Der Grund: Stünde es am Ende, dann träte es in Widerspruch zu unserem dramaturgischen Prinzip, das an dieser Stelle im Satz möglichst wenig blasse Hilfsverben sehen will, sondern lieber ein kräftiges Vollverb. Das Vollverb hier heißt verabschieden. Würde alles nach Plan verlaufen, dann stünde es an drittletzter Stelle im Satz. So hat es immerhin die vorletzte Position ergattern können. Etwas näher an der interessantesten Stelle im Satz. 

Die interessanteste Position im Satz ist die am Ende.

Sehen wir selbst, wie kribbelig uns ein Satz macht, bei dem das Verb am Ende fehlt:

Es ist spürbar, dass Salli bei Anselm gewisse Gefühle _____

Was bitte? auslöst oder empfindet

Am Ende der meisten Sätze erwarten wir ein Verb. 

Das nicht nur die grammatikalisch aufgewühlte Seele beruhigen, sondern auch dem neugierigen Geist erklären soll, was vor sich geht und was er überhaupt glauben darf. 

Bei Salli zum Beispiel wissen wir so einiges ja durchaus noch nicht:

Ob etwa eine Frau in ihrem Alter einen Liebhaber       
Dabei hat sie zu Sergey ganz bestimmt schon             . 
Was?? Salli soll sich Sergey                             ?
Nein! Ganz unmöglich! Also das würden wir ihr nie      !

Aber es gibt noch eine weitere staunenswerte Fähigkeit des Verbs. Diese Wortart betätigt sich nämlich nicht nur sportlich als Klammeröffner und –schließer in Sätzen, sondern geht darin auch einem regelrechten Beruf nach. Gleich mehr dazu im nächsten Kapitel: Vorhang auf für das Verb als Theaterdirektor!

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