K 7 – Es wird amtlich

2 Juli 2016
Amtssprache
 
Normalerweise haben wir also gute – dramaturgische – Gründe für den Nullartikel. Er sorgt dafür, dass sich nicht Spannung aufbaut für eine Szene, die völlig harmlos und erwartbar ist. Die Energie für die Spannung brauchen wir schließlich dann, wenn es wirklich interessant wird. 
 
Amtssprache und Ohrfeigen
 
Einen Nullartikel, der sich nicht aus dieser Dramaturgie begründet, gibt es aber auch noch. Er spreizt sich auf im Telegrammstil der so genannten Amtssprache. Bei Anweisungen, die von einer Stelle gegeben werden, die sich so hoch über ihren Ansprechpartnern dünkt, dass sie sich die verbindliche, kommunikative Art der Artikel spart (und dazu noch oft genug Hilfsverben, Subjekte, Verbendungen und ähnlichen Schnickschnack, den ein wahrer Amtsträger für überflüssig erachten mag):

Unter Bezugnahme auf vorliegenden Schriftverkehr teilen wir Folgendes mit:
Steuerbescheid ist in doppelter Ausführung beizulegen.
Zahlung hat bis rückwirkend 15. Vormonat zu erfolgen.
Alsbaldiger antragsgemäßer Entscheid ist erbeten.
Eventuelle Nachfragen sind an Dienststelle 14/3 zu richten.
Nach Diktat verreist.
 
Anweisungen zu grammatikalischer Korrektheit ist unbedingt Folge zu leisten. Bei Zuwiderhandlung folgt schärfste Bestrafung gemäß Paragraph Vollundganzausgedacht. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Pardon wird nicht gegeben.
 
Solche Reden hat Salli im Sinn, wenn sie sich um Sergeys artikellose Sprache sorgt: Ein deutscher Text ohne Artikel wirkt auf den deutschen Hörer wie eine Abfolge amtlicherseits versetzter Ohrfeigen. An dieser Stelle müssen wir Salli einmal ausdrücklich unterstützen: Wer wie Sergey Deutsch ohne Artikel spricht, wirkt herablassend bis grob. Er ist es nicht, er spricht nur so, weil es in seiner Sprache keinen Artikel gibt und weil er glaubt, in anderen Sprachen verhielte es sich auf die gleiche Weise. Manchmal auch, weil er denkt, solch kleine Wörter wären nicht wichtig. 

Aber sie sind es. 
Für das Verstehen wie für das gegenseitige Verständnis.

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