K 3 – Die Satzklammer

13 Juni 2016
Stolze Vollverben

Sein, haben und werden müssen nicht immer als Hilfsverb buckeln, selbstverständlich können sie auch mit ihrer eigentlichen Bedeutung brillieren, dann beherrschen sie aber alleine das Feld, ein weiteres Verb ist nicht in Sicht:

Anselm Donnerstag hat keine Frau, und Salli ist darüber nicht unzufrieden. Auch wenn sie nicht damit rechnet, demnächst die strahlende Braut zu werden.

Sollten sie aber weiterhin als Hilfsverben dienen, dann müssen sie Grammatikarbeit verrichten, ihre Bedeutung ist dann vollkommen verblasst. Das zweite Verb hat dagegen grammatische Last kaum noch zu tragen. Zum Ausgleich schultert es die volle Bedeutung, weshalb es Vollverb heißt. Auch dieses infinite Verb hat seinen festen Platz. Die zweite Regel zur Stellung des Verbs lautet:

Im Hauptsatz stehen FINITES und INFINITES VERB auf den Positionen II und Ende. 

Die Satzklammer
grammatik-satzklammer

In vielen Grammatiken wird an dieser Stelle von einer Satzklammer gesprochen: Die beiden Verben klammern das meiste von dem, was der Satz sagen will, ein. Satzklammern begegnen uns überall in deutschen Sätzen, nämlich in den zusammengesetzten Zeiten Perfekt, Plusquamperfekt, Futur; im Konjunktiv II und im Passiv. Zum Beispiel so:


II
Ende

Hilfsverb (V1)
Vollverb (V2)





      Vor acht Wochen hat Sergey diese Stute gesehen. Perfekt
      Und von da an   hatte er sie sich gewünscht. Plusquamperfekt
      Waswirder wohl mit ihrvorhaben?Futur
      Das würde Salli auch gern wissen. Konjunktiv II
      Doch nochwird
ihre Neugier nichtgestillt.Passiv

In perfekter Arbeitsteilung tragen diese beiden Verben – der Bequemlichkeit halber wollen wir sie ab jetzt V1 und V2 nennen – den Satz: Während V1 im Grammatikbergwerk schuftet, sitzt V2 ausgeruht am Ende des Satzes und strahlt dabei vor Bedeutung.

Modalverben auf der II. Position

Auf der II. Position können anstatt der Hilfsverben auch Modalverben stehen. Modalverben besitzen etwas mehr semantische Kraft als die Hilfsverben. Zwar brauchen auch sie ein Vollverb, das die eigentliche Bedeutung trägt, aber das Modalverb versetzt dem Satz doch einen gewissen Schwung, mit dem sich eine Möglichkeit ausdrücken lässt, eine Erlaubnis, eine Pflicht, ein Zwang oder Wille. Das Modalverb modifiziert das im Vollverb Ausgedrückte, denn es ist ja ein Unterschied, ob wir sagen:  

Salli hat ein Pferd gekauft. Oder:
Sie musste eins kaufen (weil vielleicht die russische Mafia sie dazu zwang). 
Sie sollte eins kaufen (weil das Schicksal das von ihr verlangte). 
Sie konnte das Pferd kaufen (weil Pummer es loswerden wollte).
Vielleicht wollte sie es sogar kaufen (wegen einer gewissen bis heute unbefriedigten Abenteuerlust).


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