Ufa 2017 – Ein Schuldirektor, der sich mit einem Hund vergleicht

24 April 2017
Seitdem sämtliche Dörfer um die drei Flüsse zusammengewachsen sind, ist Ufa nicht nur eine der zwölf größten Städte Russlands, sondern hat eine schier endlos lange Stadtgrenze. Bis wir von unserer Unterkunft zur Schule Nr. 61 kommen, fahren wir gut zwei Stunden mit dem Taxi. Die Schule Nr. 61 (russische Schulen werden stets durchnummeriert) ist eine Pilotschule. Was das ist, eine Pilotschule? Schon wieder ein Produkt von Irina Faritowna. Die klappert nämlich, wenn sie nicht gerade unterrichtet oder übersetzt oder dolmetscht oder Artikel verfasst, der Reihe nach Ufas Schulen ab und wirbt dort für die Idee, Deutsch als zweite Fremdsprache (nach Englisch) ins Programm zu nehmen. Die Pilotschule Nr. 61 ist eine von inzwischen 21 Schulen, die auf diese Maßnahme zurückgehen. 

Liana
In der Schule begrüßt uns Lehrerin Liana (bei wem hat sie wohl Deutsch gelernt? Jawohl, auch sie wieder ein Produkt von Irina Faritowna!) und geleitet uns erst mal zum Schuldirektor, damit wir mit ihm und einem weiteren Lehrer einen kleinen Imbiss in der Lehrerkantine einnehmen. Der Direktor Andreas Anatoljewitsch ist ein imposanter Herr mit kugelrundem Bauch, einem Ehrfurcht gebietendem Schnauzbart und schwarz-weiß meliertem Haupthaar. Als er an seiner Schule die Arbeit aufnahm, stand die noch auf der grünen Wiese inmitten von Feldern, erzählt er und zeigt auf die Fotos an den Wänden. Dann wurde Ufa immer weiter gebaut und auch er musste die Schule vergrößern, an- und umbauen. 
Ob er die weißen Haare aus dieser verantwortungsvollen Epoche hat, frage ich. 
„Nein“, sagt er und schaut recht wehmütig drein, die habe er sich beim Friseur einfärben lassen. Als Strähnchen. 
Ob er Deutsch spricht, fragen wir weiter. 
„Nein“, sagt er sehr bescheiden. „Ich höre und verstehe. Aber sprechen kann ich nicht. Ich bin wie ein Hund.“

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