Ufa 2017 – Kino und Deutsche
"Kino und Deutsche" (kino i nemci) ist ein russisches Idiom für Chaos und Durcheinander. Was läge da nicht näher, als die Feierliche Eröffnung der Deutschen Woche im zentralen Kino der Stadt stattfinden zu lassen? Kaum haben wir zu Ende gespeist, geht es also dahin, wo uns wieder Galia erwartet, diesmal jedoch im langen Kleid und auf High Heels.
Alles, was in Ufa Verbindungen zur deutschen Sprache hat, ist anwesend: der Präsident des Deutsch-Baschkirischen Freundschaftsvereins, der deutsche Kulturattaché aus Jekaterinburg (in Gestalt einer jungen Dame, ich weiß nur leider nicht, wie die weibliche Form von Attaché lautet, schäm), aus Deutschland entsandte Lehrer für das Uralgebiet mit ihren Schülern, Hochschullehrer, Lehrer, Schüler und Studenten. Es wird getanzt und geflötet (auf einem baschkirischen Instrument, das wie eine Panflöte klingt, aber vollkommen anders aussieht) und ein Quiz zur deutschen Sprache und Kultur gibt es auch noch. „Wie lautet der Vorname von Geine?“ – Ich kann nicht widerstehen und rufe laut: „Geinrich!“ – und schon habe ich einen feschen Rucksack gewonnen. Die circa 24 Vornamen von Rilke hätte ich allerdings nicht gewusst.
Anschließend schaut die Gemeinde sich einen deutschen Film an, während wir Honoratioren vom Herrn Präsidenten (des Freundschaftsvereins) zum „Tee“ gebeten werden. Der besteht aus einer üppigen Tafel mit Kuchen, Lachs und Wurst, dazu wahlweise Arrak oder Wein. Eine bunte Truppe sitzt da beieinander, links neben mir der weibliche Kulturattaché, rechts ein liebenswürdiger Herr, der mal an der russischen Botschaft in Berlin gearbeitet hat und mir hoch erfreut Berliner Dialektworte ins Ohr flüstert. („Ick liebe dir“, „Is jut“, „wa?“), eine Flüsterdolmetscherin für uns Deutsche, Irina und der sehr nette DAAD-Lektor Alexei, den wir letzten Herbst in Orenburg kennen gelernt haben, sowie diverse, mir unbekannte, russische und baskirische Persönlichkeiten. Reden und Toasts. Diesmal erfahre ich dabei, warum Ufa so eine besondere Stadt ist. Der Nachfolger von Iwan dem Schrecklichen war so aufgeschlossen und modern, dass er seine Feinde nicht mehr einfach abmurksen wollte, sondern sie lieber verbannte. Und zwar nach Ufa. Die meisten Verbannten kamen aus dem polnischen und russischen Adel. Bald waren 75 Prozent der Einwohner Ufas Aristokraten, erzählt der Präsident, die als solche natürlich nicht arbeiten konnten. Ungewohntes wie Produktion und das Herbeischaffen von ordinären Lebensmitteln ließ man die baschkirische Urbevölkerung erledigen. Die Neuzugänge aus Warschau und Moskau dagegen spielten Klavier und lasen Bücher. Im Sommer hätte man aus den geöffneten Fenstern jedes Hauses überall klassische Musik gehört, auf den Straßen hätten die Leute in dicken Literaturkatalogen geblättert, hungrig auf die nächsten Neuerscheinungen. So ist Ufa zu dem geworden, was es heute ist.