Orenburg 2016. Vielleicht verschwunden

21 Januar 2017
Flug
Herbst 2016. Von Moskau aus fliege ich weiter nach Orenburg. Im Flugzeug sitzen Russen, Tataren, Baschkiren, eine blond gefärbte, schwangere Koreanerin; alle taumeln wir in einen wirren Fliegeschlaf. 

Landung um fünf Uhr morgens. Die kleine Irinka hat das Schicksal getroffen, sie musste mit dem Unifahrer raus zum Flughafen, um mich abzuholen. Orenburgs Lichter. Ein 24-Stunden-Minimarket, wo sie Wasser für mich kauft. Kaum zu glauben, dass ich wieder hier bin, in dieser bunten Steppenstadt. Wohnen werde ich in dem Gebäude, wo ich schon mal war, damals hatte ich als Haustier eine Assel. Jetzt aber, im fünften Stock, ist die Assel verschwunden. Vielleicht versteckt sie sich nur? 

Als Irinka gegangen ist, stelle ich fest, dass der Kühlschrank nicht geht und ich kein fließendes Wasser habe. Nachttischlampe gibt’s, aber die Steckdose verschließt sich meinem Bemühen. Vielleicht soll ich Strom sparen lernen? In der Nacht träume ich, dass auch das Vielleicht verschwunden ist. Die Hausmeisterin Indira, zu kafkaesker Größe herangewachsen, eilt in meinen Traum und wiegt ihr Haupt. „Vielleicht ist verschwunden?“, fragt sie. „Vielleicht haben wir es nur versteckt.“ 
Rätselhaft, trotzdem tröstlich.

Teilen:

Blog abonnieren

Themen
    Reisebilder
    Ich verreise eigentlich nur, um Freunde zu besuchen oder an meinem Reiseziel zu arbeiten. In den letzten Jahren waren das Orte in Rumänien, Russland, Griechenland und Georgien. Von dort wird es hier Bilder geben und ein wenig Text. Nichts Spektakuläres, nur Innenansichten. Und ganz normale Einheimische.

    Rezensionen
    Wenn mir ein Buch nach 40 Seiten immer noch nicht gefällt, lese ich es nicht weiter, kann es also auch nicht rezensieren. Deshalb stelle ich hier ausschließlich Werke vor, die ich wirklich empfehlen möchte. Oder – seltener – die mich so empört haben, dass ich meine, davor warnen zu sollen. 

    Porträts ehemaliger Studenten
    Aus der ganzen Welt sind sie gekommen, aus allen Kontinenten. Ich erinnere mich an zwei Südafrikaner, die an einem heißen Sommertag im Schulhof einen Regentanz aufführten. Ich erinnere mich an Sinan, Anneli und Hamada, an Ahmed, Barbara und Zeljka, alle ganz verschieden, jeder interessant. Hier möchte ich einige von ihnen porträtieren.

    Porträts Übersetzer
    2019 im Mai kamen wir in Thessaloniki zusammen: vier Deutsche und zehn Griechen, alle damit beschäftigt, Texte aus der einen Sprache in eine andere zu übersetzen, aus der einen Kultur in die andere, alle leidenschaftlich um Sprache bemüht.