Orenburg 2016. ER ist bewaffnet. Wollt ihr ihn hier haben?

26 Januar 2017
Soldat
Plakat aus den 50ern, mit dem seinerzeit die deutsche Wiederbewaffnung propagiert wurde. “Was sollte uns das sagen?“, frage ich die studentki im Kurs. Es geht um Landeskunde, Zeit- und Literaturgeschichte, später werden wir über den Deutschen Herbst sprechen. Ich möchte, dass sie verstehen, welche Provokation für den Normaldeutschen allein schon im Namen RAF steckte: „Rote Armee ... Hilfe!“ 

Die Studenten – ein Junge, der Rest ausgesprochen hübsche, perfekt aufgemaschelte Mädchen (auch der Junge ist hübsch). Es wiederholt sich eine Szene, wie ich sie vor drei Jahren schon mal erlebt habe. Die studentki sind erst mal begeistert, als sie den ernst blickenden Rotarmisten sehen: „Hey, das ist ja einer von uns!“ „Ja, ja“, sage ich, „aber warum steht er hier vor dem Kölner Dom?“ – Ratlosigkeit. Ich helfe nach: „Die Deutschen sollten denken, der Russe kommt nach Köln, zündet den Dom an und verschleppt die deutschen Frauen.“ Und wieder die ungläubigen Blicke: Echt? Der will wirklich die ... äh ... deutschen Frauen? 

Rimma, Nastja, Julia – da sitzen sie in schönen Kleidchen, die Beine in raffiniert durchbrochenen Strümpfen, das Haar kunstvoll aufgeflochten zu französischen Zöpfen. Vor ihnen steht die ungeschminkte deutsche Lehrerin in Jeans und Pullover. Die deutsche Wiederbewaffnung – was für ein zweifelhafter Schmarren!

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    Reisebilder
    Ich verreise eigentlich nur, um Freunde zu besuchen oder an meinem Reiseziel zu arbeiten. In den letzten Jahren waren das Orte in Rumänien, Russland, Griechenland und Georgien. Von dort wird es hier Bilder geben und ein wenig Text. Nichts Spektakuläres, nur Innenansichten. Und ganz normale Einheimische.

    Rezensionen
    Wenn mir ein Buch nach 40 Seiten immer noch nicht gefällt, lese ich es nicht weiter, kann es also auch nicht rezensieren. Deshalb stelle ich hier ausschließlich Werke vor, die ich wirklich empfehlen möchte. Oder – seltener – die mich so empört haben, dass ich meine, davor warnen zu sollen. 

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    2019 im Mai kamen wir in Thessaloniki zusammen: vier Deutsche und zehn Griechen, alle damit beschäftigt, Texte aus der einen Sprache in eine andere zu übersetzen, aus der einen Kultur in die andere, alle leidenschaftlich um Sprache bemüht.