Althistoriker, Altphilologe, Bestseller-Autor – Dimosthenes Papamarkos
14 Juni 2019
Er ist studierter Althistoriker und Altphilologe, schreibt gute Literatur und arbeitet noch als Script-Berater für die führende griechische Filmproduktions-Firma „Faliro House“, die in den letzten Jahren mit der Produktion weltweit erfolgreicher griechischer Arthouse-Filme für Furore gesorgt hat. Großvater und Vater hatten ihm von den Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Türken in Kleinasien erzählt. Nach einer Reise in diese Gegend wusste er, dass er Geschichten dazu schreiben wollte. Darüber, wie nah das Böse uns allen ist.
Ein paar Erzählungen hatte er schon veröffentlicht, als er 2014 mit „Giak“ einen Durchbruch erlebte. Sieben Erzählungen und eine Ballade über den griechisch-türkischen Krieg 1919-1922. Der schmale Band ging regelrecht durch die Decke und bescherte dem kleinen Verlag „Antipodes“ einen tollen Anfangserfolg: Hohe Auflagenzahlen, ein Theaterstück, Übersetzungen in mehrere Sprachen, jetzt auch ins Deutsche. „Giak“ ist das albanische Wort für „Blut“, gemeint ist das bei der arvanitischen Vendetta vergossene Blut.
Über diesen griechisch-türkischen Krieg ist in Griechenland schon viel geschrieben worden, allerdings immer so, dass die türkische Seite ins Unrecht gesetzt, die griechische heroisiert wurde. Dass auch von Griechen Unrecht ausging, war lange ein Tabu, erst unter der sozialistischen Regierung der PASOK in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte man die Geschichtsbücher für den Schulunterricht der Realität angepasst.
Und nun schreibt ein junger Autor über eine alte Geschichte und entzaubert allerlei dumpf-nationale Mythen. Papamarkos thematisiert Greueltaten von Griechen sowie die durchgängig verschwiegene Homosexualität unter den Soldaten, und das Ganze avanciert zum Verkaufsschlager – wie geht das?
Er hat mit seinen Nachbarn gesprochen, das sind Arvaniten, Abkömmlinge jener berittenen Schäfern, die schon in der Antike nach Griechenland einwanderten, sich später christianisierten und bald einen gewissen Ruf als Krieger gewannen. In allen Epochen waren sie an der Front (auch die berühmten „griechischen“ Freiheitskämpfer Kolokotronis und Bubulina entstammten arvanitischen Familien). In den Gesprächen mit diesen Menschen hat Papamarkos viel erfahren – über die Wirklichkeit jenes Krieges, nicht über die Mythen. Die Schonungslosigkeit der Darstellung, aber auch das gesprochene Neugriechisch, durchsetzt mit arvanitischen Einsprengseln, machen einen großen Reiz seiner Erzählungen aus.
Wie er die Krise erlebt hat: Damals hat er in England gelebt, war also nicht direkt betroffen. Bedrückt hat ihn allerdings, dass er ständig etwas rechtfertigen sollte, über dessen Hintergrund er selbst wenig wusste. Die Griechen im Mutterland waren sich wohl im Klaren über die auch hausgemachten Ursachen der Krise – im Ausland immer wieder zu hören, man sei selbst schuld, ist etwas anderes. Wie soll man überhaupt selbstkritisch Stellung nehmen zu einem Thema, wenn es bei jedem Kneipengang heißt: „Faule Griechen! Selber schuld!“
Dimosthenes, was wünschst du dir? „Ach, eigentlich nur, nicht allzu früh zu sterben. Ich würde gern erleben, wie ich älter werde.“
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