Ufa 2017 – Moscheen und Gasmasken

3 Mai 2017
Imam

Die alte Moschee und ihre Atmosphäre kenne ich noch von meinem letzten Besuch in Ufa. Schuhe ausziehen am Eingang und irgendwas auf den Kopf für die Frauen. Dann darf man rein und zusehen, wie am Eingang ein junger Imam für ein Ehepaar betet, wie im hinteren Teil brave Baschkirinnen Arabisch schreiben lernen. Und ziemlich in der Mitte der Moschee treffen wir – genau wie beim letzten Mal – auf den würdevollen, mit einem Turban gekrönten Oberimam der Stadt. Der ist einem Schwätzchen nicht abgeneigt, erklärt uns Diverses, etwa die Sache mit Mohamed und lädt zu weiteren Besuchen ein. 

Nach so viel Überirdischem kommt die harte Realität dran, nämlich Ufas Stadtteil Djoma, der Bezirk, der verantwortlich ist für Baschkiriens Reichtum und die enorme Umweltverschmutzung in dieser Gegend. Denn hier wird Öl gefördert. Ergebnisse sind tote Flüsse und Seen, Atemwegserkrankungen (die man sich als Bronchitis schön reden lassen soll), eine erhöhte Krebsrate, zahlreiche Allergien usw. Tatjana wird nicht müde, von den Absurditäten der hiesigen Administration zu erzählen. So hat man jüngst – extra für Djoma – entlang der Autostraße einen Radweg gebaut. „Nur die Gasmasken für die Radfahrer hat man vergessen“, erklärt sie und pfeift einmal kurz, um das Wort „Gasmaske“ aufzurufen. Tatsächlich, schon nach kurzer Zeit spüren wir, wie sich die Zunge taub anfühlt, wie die Luft anders schmeckt. 

Was man gegen all das Gift machen kann? Aufklären. Und Antichambrieren. Tatjana hat einen Ökoclub gegründet, sie stellt Stofftaschen her, recycelt den Plastikmüll, bastelt Schmuck, Möbel, Schulhefte; sie schreibt Zeitungsartikel, fährt an die Schulen und spricht mit Kindern und Lehrern. Auch zu den Eliten sucht sie den Kontakt, hat Treffen mit ihnen, neulich sogar mit dem Präsidenten der Republik. Tatsächlich finden sich unter den Reichen seit Neuestem auch Menschen, die mit ihrem Geld etwas Sinnvolles machen wollen. „Wie Tschechow es seinerzeit beschrieben hat?“, frage ich. „Ja. Genau so. Plötzlich sagen die Eliten: 'Wir müssen was für unsere Umwelt tun!'“ All ihr Geld und ihre Energie steckt Tatjana in ihre Arbeit, reist von Ufa nach Moskau und dann wieder zu dem kleinen Dorf, wo Snetschanas Eltern wohnen. „Die meisten meiner Freunde sind irgendwann ausgewandert“, erzählt sie. „Nach Kanada, Schweden, in die USA. Da sitzen sie jetzt und haben Depressionen. Ich nicht. Ich habe keine Depressionen.“

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