J L. Carr. Ein Monat auf dem Land.
24 März 2017

Gesicht für Gesicht legt der Restaurator frei und während vor seinen Augen das großartige Gemälde wächst, entsteht ein zweites: die Gemeinde Oxodby. Mit ihren tief religiösen, ruralen Einwohnern zunächst genauso unzugänglich wie ein hinter Ruß- und Paraffinschichten verstecktes Wandbild, öffnet sie sich langsam dem Künstler aus der Stadt. Von den beherzten Kindern, die ihn als erstes besuchen über den Dorfschmied, der einen Gehilfen für seine Sonntagsschule braucht bis zu Alice Keach, der schönen jungen Pfarrersfrau mit ihrem Glockenlachen werden sie mit jeder Seite beseelter und lebendiger. Und neben ihnen erstehen sogar Dinge zum Leben wie ein monströser alter Eisenofen, eine Damokles-Sense oder das barocke Relief einer gut gebauten, jungen Dame, die züchtig ihr Leichentuch zusammenrafft, während sie aus ihrem Sarkophag klettert.
Sehr viel passiert nicht in dieser leisen, nur einen Sommer währenden Geschichte. Aber genug, um Tom Birkin gesund werden zu lassen und den Leser ziemlich glücklich.
„Ein Monat auf dem Land“ ist ein Roman, den ich mehrmals gelesen habe (bei 150 Seiten geht das ja gut). 1980 wurde er für den Booker-Preis nominiert, letztes Jahr ist er auf Deutsch erschienen und hat die Kritiker voll und ganz begeistert.
Tags: J.L. Carr
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