Leonie Faber. Die Zeitenbummlerin

25 Dezember 2016
Zeitenbummlerin
So tapfer radelt sie gegen die Unerbittlichkeit der Zeit: Josefine, die mal die kleine Josie war, sie radelt im Auftrag von Soulbalance, einer Zeitschrift, wo gerade nicht sehr viel Balance herrscht, sie radelt gegen den drückenden Schmerz und die Ratlosigkeit einer frisch verlassenen Frau, 52 Jahre alt und gegen ein lang zurückliegendes Trauma, das mit Schnee und Ersticken zu tun hat. Es ist ein ganz neuer Versuch für sie im Leben: per Fahrrad auftragsgemäß Spiritualität, Achtsamkeit, Entschleunigung und was der Modewerte mehr sind, zu erhaschen und sofort wieder in die social medias zu pusten. Wo dann die obligatorische Umarmung eines Baumes neben dem abfotografierten Abendessen einer Facebookfreundin (Abendessen, low carb, yummi, yummi) steht. Ob es etwas nützt? Der Muskelkater, die Begegnung mit einer flüchtenden Kuh, mit einem gestressten Fachmann für Entstressung? 

Genug Gründe zum Zweifeln gibt es ja, und Josefine ist die personifizierte Skepsis, geübt im poetischen Abwehrkampf gegen sich anschleichende Sentimentalität: „An der Panke frag ich mich, woran ich kranke, und ob ich tanke, neue Energie, aber wie, wenn mir die linke Pranke weh tut und ich ...“ 

Es bringt doch etwas! Wenn man wie Josefine den Mut hat, weiter zu radeln bis hinauf nach Norwegen, wenn man sich einlässt auf Apnoetauchgänge und die eigene Angst. Und den immer wiederkehrenden Rückfällen in das alte Josieleben standhält.

Ein wunderbares Buch mit so viel Schwung in all seiner Nachdenklichkeit.

Leonie Faber. Die Zeitenbummlerin. Knaur 2016. 9,99 €.

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