Andreas Götz. Die im Dunkeln sieht man nicht. Kriminalroman

22 September 2019
Die im Dunkeln

Wer ein bestimmtes Buch meint und es mit der Kategorie „Krimi“ fassen will, ist wie jemand, der über den Kuckucksrochen sprechen möchte und „Fisch“ sagt. Krimis gibt es von ihren ersten Anfängen bei uns als Gangster-Detektiv-Piffpaff über das allabendliche Ermittlerduo im TV bis zu den inzwischen zahllos gewordenen Verzweigungen in Katzen-, cosy-,  Histo- oder Regiokrimis. Die allermeisten greifen auf ein bewährtes Muster zurück und ich will nicht einmal sagen, dass man so etwas nicht mögen kann. Irgendwann in den 1970ern kamen neue Namen aus den USA zu uns und veränderten das Genre Krimi: Ross MacDonald und Margaret Millar, die die Psychoanalyse in das Krimigenre einpflanzten oder Raymond Chandler, der mit seinen Geschichten über großes Geld, kleine Politik und fehlende Moral ein Panorama der damaligen (50er Jahre) amerikanischen Westküste entwarf. 

Ein ebensolches Panorama legt Andreas Götz in seinem ersten Kriminalroman vor. Schauplatz ist München im Jahre 1950, wo sich einige rasch schon wieder nach oben geboxt haben, während andere immer noch getreten werden, wo man „Polacke“ sagt und „Schleich dich, Jud!“, wo sich „Die Wahren Deutschen“ schon wieder um einen adeligen Oberleutnant a.D. versammeln. Wo der Schwarzhandel blüht, wo sich Künstler und Poeten bei Mutti Bräu mit Zeichnungen und Gedichten eine warme Suppe verdienen, wo man in der Tanzbar im Zigarettendunst zu den „Capri-Fischern“ tanzt. In diesem Kosmos von Schmugglerbaronen, Kommissären, Zeitungsredakteuren, amerikanischen Kunstexperten und polnischen Dolmetscherinnen ragen heraus der ehemalige Schriftsteller Karl Wieners, desillusioniert vom Krieg bis zur Bitterkeit und seine Nichte Magda, eine hinreißend selbstbewusste junge Frau mit so viel Herz und Sex-Appeal, dass sich nicht nur die vordere Männerriege im Roman in sie verliebt – der Leser tut es gleich mit. Ist das überhaupt noch ein Krimi? Und was für einer: Der scheinbare Raubmord zu Beginn eröffnet ja erst das Katz- und Mausspiel zwischen vermeintlichen Verbrechern und wahren Schuldigen hier und den offiziellen wie privaten Jägern dort. Und es sind leider nicht nur Böse, die sterben werden. 

„Die im Dunkeln sieht man nicht“ ist ein Kriminalroman im Wortsinn: spannend, packend, unterhaltsam auf allen Ebenen, sorgfältigst recherchiert und sprachlich souverän die Register wechselnd. Kein Fisch wie alle anderen. Mindestens ein Kuckucksrochen.

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