K 3 – Wohin mit den Verben?

12 Juni 2016
Nach einem Schäferstündchen Mrs. Lennox ist ermordet worden.
Weil Mrs. Wade eifersüchtig war, die ganze Mordgeschichte ist passiert.
Wolfgang Rug, Andreas Tomaszewski. Grammatik mit Sinn und Verstand. 1993.
Was an diesen Sätzen ist nicht normgerecht?
Wo stehen die Verben im Satz?
 
Wo also steht das Verb im Satz? Nehmen wir uns unsere beiden Helden vor und schauen nach, was sie am Ende des Zweiten Kapitels so treiben:
 
Salli            fährt  nach Hause.
Derweilen   geht  Dyck lächelnd an seine Arbeit.
 
Und schon haben wir die erste und eiserne Regel für die deutsche Syntax präsentiert bekommen: 
 
Im Hauptsatz steht das FINITE VERB auf der zweiten Position.
 
Finit bedeutet: mit einer Endung ausgerüstet, also nicht tot und starr wie beim Infinitiv, sondern mitten bei der Arbeit. 
 
Es ist diese Regel, die Lerner der deutschen Sprache oft in Verzweiflung stürzt, weil sie erst einmal am laufenden Band Sätze produzieren wie: Am laufenden Band ich produziere dieses falsche Deutsch. Zu fest steckt ihnen ein anderes Schema im Kopf, wonach das Subjekt sich unter allen Umständen vor dem Verb aufzuhalten habe. Das tut es ja auch oft genug im Deutschen, wie wir gesehen haben. Hier etwa:
 
I                  II
Sergey lächelt. 
 
Sobald aber eine Angabe die erste Position erobert hat, muss das Subjekt umziehen, damit die zweite Position frei bleibt für das Verb. 
Meist begibt es sich dann auf die Position III:
 
I                      II               III
Soeben           lächelt      er.
Angabe           Verb         Subjekt
 
Das Verb als Dreh- und Angelpunkt
 
 
Das Verb ist also so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt in jedem deutschen Satz. Während alle anderen Satzglieder scheinbar beliebig umherwandern können, bleibt es zuverlässig fest auf dieser Position. Man betrachte das Bäumchen-Wechsle-Dich, das die Satzglieder aufführen können und dagegen die Stabilität des Verbs:
 
Sergey             lächelt     soeben heimlich und leise in seinem Stall.
Soeben            lächelt     er heimlich und leise in seinem Stall.
Leise                lächelt     er soeben in seinem Stall.
Im Stall             lächelt     er soeben heimlich und leise. 
 
 
Nicht jede dieser Kombinationen ist in gleicher Weise gelungen, aber prinzipiell erlaubt die Syntax des Deutschen sie alle. 
 
Tempus und Modus – zwei Aufgaben für das Verb
 
Fest verschraubt auf seinem angestammten Platz erledigt das Verb eine ganze Menge grammatikalischer Pflichten. Es transportiert nicht nur die Bedeutung des Wortes lächeln, es stellt durch seine Form auch die Person heraus, die dieses tut; außerdem den aktiven Modus, in dem das geschieht und insbesondere die Zeit: Sergey lächelt heute im Präsens, er lächelte möglicherweise auch früher schon einmal im Präteritum. 
 
Zusammengesetzte Zeiten
 
Nur in diesen beiden grammatikalischen Zeiten muss ein einziges Verb alle Aufgaben gleichzeitig erledigen. Alle anderen Tempora sind zusammengesetzt aus wenigstens zwei Verben, die sich die Arbeit teilen. Sollten wir also Sergey sein Lächeln auch zu anderen Zeiten vergönnen, dann brauchen wir so genannte zusammengesetzte Zeiten. Dabei spaltet sich das Verb auf in einen Verbteil, der für die Grammatik zuständig ist und einen, der die Bedeutung beherbergt. 
 
Hilfsverben
 
Der erste Verbteil tritt auf als eines von drei HILFSVERBEN. Hilfsverb, weil seine vornehmste Aufgabe darin besteht, dem Satz in die richtige Zeitstufe zu verhelfen. Für Perfekt (und Plusquamperfekt) brauchen wir sein oder haben, für das Futur werden, alle jeweils mit einer Endung ausgestattet, also als finite Verben. Das zweite Verb dagegen befindet sich in einer infiniten, endungslosen Form. Bei den zwei Vergangenheiten ist dies das so genannte Partizip, beim Futur der Infinitiv höchst selbst:
 
Sergey hat zwanzig verdreckte Pferdeboxen gereinigt,    Partizip (Perfekt)
nun       ist er in seine Kammer                     gegangen,    Partizip (Perfekt)             
gleich   wird er wieder seine Bratkartoffeln           essen.   Infinitiv (Futur)
 
 

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