K 9 – Weshalb das Vorfeld gar nicht so unwichtig ist

11 Juli 2016
Satzglieder, die wir nie auf dem Vorfeld finden

Nein, das Vorfeld ist nicht die unwichtigste Position im Satz. Das sehen wir schon daran, dass einige wirklich sehr schmalbrüstige Wortarten dort nie auftauchen. Das sind:

Modalpartikeln, also diese kleinen Chamäleons, die der gesprochenen Sprache eine jeweils andere Färbung verleihen, je nachdem, welche von ihnen sich in welchen Satztyp schmuggelt. Wenn Salli etwa Sergey anfleht: Ich möchte doch nur ein bisschen weiter mit dir zusammen leben. Oder einen überraschend coolen Ton anschlägt: Ich möchte nur mal ein bisschen weiter mit dir ... Oder mit Bestürzung spricht: Du wirst doch jetzt nicht nach Russland fahren! Alle diese doch, nur, mal, wohl sind viel zu atmosphärisch, zu luftig, um sich auf dem Vorfeld behaupten zu können.

- Der Dativus ethicus, vertreten von einem Personalpronomen im Dativ, das aber kein Dativobjekt darstellt, sondern recht besehen auch nichts anderes ist als eine Modalpartikel. Mit diesem moralisch hoch stehenden Wörtlein lässt sich eine Art liebevolle Besorgnis ausdrücken: Du wirst mir nicht verloren gehen in Russland, ja? Komm mir gesund zurück! 

- Das Personalpronomen es, wenn es den Akkusativ vertreten soll: Was denkt Salli sich zu all dem Treiben auf der Rennbahn? Vielleicht ein ironisches Ich liebe es? – *Es liebe ich – sagt sie jedenfalls nicht.

- Und schließlich das Reflexivpronomen: Was passiert gerade drüben in Sallis Küche? O Schreck, soeben hat sich Sergey abgewendet, das ist kein gutes Zeichen! – * Sich hat Sergey ... – nein, das funktioniert nicht.
 

Beginn des Mittelfelds 

Diese nur minimale Bedeutung tragenden, also auch für die Dramatik des Satzes nebensächlichen Wörtchen haben Platzverbot auf dem Vorfeld. In unseren Beispielsätzen haben sie sich alle nach dem finiten Verb versammelt. Denn genau das ist der richtige Platz für die bedeutungsschwächsten Einheiten im Satz. An dieser Stelle – gleich nach dem Klammer öffnenden finiten Verb im Hauptsatz – beginnt das Mittelfeld. (Drach nannte es seinerzeit noch Nachfeld, die moderne Linguistik hat es umbenannt aus Gründen, über die wir im 10. Kapitel sprechen werden.) Hier, am Anfang des Mittelfelds, befindet sich der Ort für die niedrigsten Chargen im Satz. Nach diesen beiden Elementen – finites Verb oder Subjunktor – duckt sich der Satz quasi noch einmal, um von hieraus erst nach oben zu streben, wie sich eine Katze, bevor sie zum Sprung ansetzt, erst mal auf dem Boden zusammenkauert.
 
                                                                  nicht umstimmen LASSEN 
                                         auch von Frauentränen 
                                tatsächlich 
                        also 
Sergey HAT sich 
                   
Thema und Rhema

Am häufigsten wird das Vorfeld angeflogen vom Subjekt des Satzes. Das kann sich an Dramatik zwar nicht mit den Informationsbrocken messen, die uns am Ende des Satzes erwarten. Aber ganz ohne Würde steht dieses Satzglied auch nicht da. Gerade da vorne im Vorfeld präsentiert es nämlich sehr häufig das THEMA, den Gegenstand über den im Weiteren verhandelt werden soll. „Thema“ nennt die moderne Linguistik das unauffälligere Element im Satz. Die auffälligeren Elemente werden als „Rhema“ bezeichnet.

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