K 12 – Vorsprachliches

26 Juli 2016
Kommunizieren, Appellieren

Eine weitere Funktion von Sprache lautet Kommunikation. Wer mit dem eigenen Angstgeschrei andere warnt, hat den Weg dazu schon eingeschlagen. Wer warnen will, kommuniziert bereits. Freudenrufe mögen einfach einem Gefühl Luft machen, sie können aber auch anderen etwas bedeuten. Und bestimmte Interjektionen haben von vorne herein den Charakter eines Appells: Mit pssst bitten wir um Ruhe, ein leises schsch soll beschwichtigen, durch mˇhm signalisieren wir lautlich, doch mit geschlossenen Lippen die Botschaft, dass wir den anderen wahrnehmen, aber nicht vorhaben, selbst loszuquaken. 

Das verstehen alle

Und das verstehen alle. Zumindest dann, wenn wir uns dabei ins Gesicht sehen. Denn jede Interjektion ist an Mimik gebunden, und Mimik ist universal. Es sind bei allen Menschen dieselben Gesichtsmuskeln, die angespannt oder entspannt werden, um Angst auszudrücken, Zorn, Ekel, Verachtung, Freude.


Mimik ist universal

Auch Menschen, die bis vor kurzem noch in der Steinzeit lebten und keinen Kontakt via Fernsehen zu anderen Kulturen hatten, sich also nichts von anderen absehen konnten, machen die gleichen lachenden Augen, runzeln ihre Stirn, heben oder senken die Mundwinkel und werden von uns eindeutig verstanden. Das hat der Anthropologe Paul Ekman in den achtziger Jahren mit Ureinwohnern von Papua-Neuguinea beweisen können.

Kommunikation ohne Grammatik

Unsere Mimik haben wir nicht gelernt, so wie wir im Sprachunterricht lernen, wie man Guten Morgen auf Italienisch sagt, sie ist ein durch die Evolution uns eingeprägtes Verhaltensmuster. Wie die Interjektionen ist sie uns ein Kommunikationsmedium, das ohne Grammatik auskommt. Weshalb eine Reihe von Sprachwissenschaftlern sich einig ist, dass die Sprache so angefangen hat: mit pfff, bäh, ah oder oh, mit dem, was wir heute als Interjektionen kennen.

Wie die Sprache anfing

Allerdings nicht mit der Nachahmung von Tierlauten, wie Herder sich das einmal vorstellte, heute spöttisch als Wau-Wau-These bezeichnet. Sondern mit einer „Protosprache“, über deren Beginn und Funktion die Fachwelt sich bis heute wiederum uneinig ist: Der amerikanische Linguist Bickerton und seine große Gemeinde gehen davon aus, dass der Mensch erst in der Jungsteinzeit zu sprechen begann, schon in der Absicht zu kommunizieren und sich deshalb im Lauf weniger Generationen auch gleich eine anständige Syntax zulegte. Europäische Forscher sprechen inzwischen davon, dass die Sprache wesentlich früher begann, nämlich vor 500.000 Jahren, lange vor Homo Sapiens und Neandertaler und wohl eine ganze Zeit lang ohne Syntax auskommen konnte.

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