K 2 – Nicht notwendige Satzglieder

10 Juni 2016
Milde (An)Gaben

Kaum sind die Ergänzungen im Spiel, da eröffnet sich die Schwierigkeit, diese Truppe Satzglieder abzugrenzen von unserer letzten Kategorie, den Angaben. Angaben kann man machen – man muss es aber nicht, sie sind quasi die milden Gaben, die ein informationsfreudiger Sprecher springen lässt, auch ohne dass ein Verb danach verlangt. 

Ein soignierter Herr lässt eine Angabe springen.

Auch dieses Satzglied bezeichnet oft genau wie die Ergänzung den Ort eines Geschehens oder die Zeit oder weitere Umstände. Und das mit den gleichen Wortarten wie die Ergänzung. Mehr noch: Es können sogar die gleichen Worte sein: 

Sergey wohnt in einem Stall. (Ergänzung)
Sergey wird in einem Stall unterrichtet. (Angabe)

Beide Male war die gleiche präpositionale Wortgruppe im Spiel. Und hier kommt zweimal das gleiche Nomen:

      Sallis Unterricht dauert eine Stunde. (Ergänzung) 
      Salli wartet eine Stunde auf Sergey. (Angabe) 

Worin unterscheiden sich Angaben von Ergänzungen?

Der Unterschied zur Ergänzung ist also an der Form nicht immer sichtbar. Wir bekommen ihn aber heraus über die Frage, ob das Wort bzw. die Wortgruppe notwendig ist, um den Satz ganz zu machen oder sozusagen for free gegeben wird. Ist letzteres der Fall, dann bleibt der Satz stabil, auch wenn man ihm die Angabe verweigert.  Ohne Angaben kann er – grammatikalisch gesehen – durchaus gut leben. Streichen wir die Angaben aus Sallis Beispielsätzen mal zur Probe.

Ich esse die Zwiebeln während des Unterrichts
– Ich esse die Zwiebeln.

Ich habe sie Ihnen gerade gegeben. 
 – Ich habe sie Ihnen gegeben.

Dann sehen wir, dass die Sätze, aus denen wir die Angaben getilgt haben, grammatikalisch immer noch korrekt sind. Natürlich fehlt ihnen nun eine Bedeutung, die sie vorher reicher gemacht hat. Die Grammatik aber wär’s zufrieden auch ohne diese Bedeutung: Hauptsache – die Satzstruktur stimmt.

Verben und ihr Charakter

Selbstverständlich kann man auch über den Unterschied zwischen Ergänzung und Angabe lange streiten, und die Linguisten tun es mit Leidenschaft. Nicht selten lässt sich nämlich ein Satzglied, das wir mit Sicherheit als Ergänzung identifiziert hätten, streichen und der Satz bleibt trotzdem stabil: In dem Satz Sergey schreibt seine Hausaufgabe ist die Hausaufgabe zweifelsfrei die Ergänzung seines Schreibens. Dennoch kann man sie tilgen, ein Satz wie Sergey schreibt ist grammatikalisch möglich. Freilich hat dann aber auch das Verb schreiben seinen Charakter geändert. Es ist ein so genanntes „absolutes Verb“ geworden, es genügt sich selbst wie das bei Es regnet der Fall ist, wo wir gewiss keine weitere Ergänzung erwarten. 

Verben und Stimmung

Zusammen mit dem Verb geändert haben sich dann auch Stimmung, Situation oder gar Bedeutung: Wenn Sergey seine Hausaufgabe schreibt, dann sehen wir ihm quasi über die Schulter und überprüfen, was er da zu Papier bringt: Ist es die Kostenaufstellung für einen geplanten Pferdekauf? Oder macht er tatsächlich brav, was Salli ihm aufgetragen hat? Wenn er einfach schreibt, sitzen wir mit Salli da und genießen den Anblick, wie der Mann, der vorher so geschickt mit der Mistgabel hantiert hat, jetzt mühselig Buchstaben produziert. Oder wir sind in einem anderen Roman gelandet, worin ein gewisser Sergey dem Beruf des Schriftstellers nachgeht.

Angabe, Adverb, Adverbiale?

Nicht gerade vereinfacht wird uns die Unterscheidung von Angabe und Ergänzung auch dadurch, dass viele Lehrbücher und Grammatiken beides zusammenwerfen unter dem Oberbegriff „Adverbiale“, der seinerseits nicht identisch ist mit dem „Adverb“. Schon wegen dieser Verwechslungsgefahr bleiben wir lieber bei den Begriffen Ergänzung (notwendig) und Angabe (freiwillige Zutat).

Teilen:

Blog abonnieren