K 10 – Markieren: die elegante Art zu betonen

17 Juli 2016
Satz umstellen oder mehr Wörter rein?
 
 
Markieren ist eine elegante, weil sehr sparsame Methode, Worte oder Satzglieder in einem Satz hervorzuheben. Denn statt umzustellen –

Buchhalterinnen waren sie in Russland gewesen.

– könnten wir natürlich auch eine ganze Reihe zusätzlicher Wörter bemühen, um darauf aufmerksam zu machen, dass es mit dem früheren Beruf der Dyck-Schwestern etwas Besonderes auf sich hat und uns vielleicht so äußern: 
 
Sie waren schließlich in Russland immerhin Buchhalterinnen gewesen.
 
Oder noch dicker aufgetragen:
 
Sie waren in Russland, verdammt noch mal, immerhin Buchhalterinnen gewesen.
 
Lexikalische Mittel, also Wörter, sind natürlich immer am Platz, wenn ihre Bedeutung dem Satz noch etwas Spezielles hinzufügen soll so wie etwa beim Fluch. Wenn es aber nur darum geht, ein einzelnes Wort hervorzuheben, dann genügt es, es von der Stelle, an der wir es gewohnheitsmäßig erwarten, an eine andere zu verschieben. Meist ist diese andere Stelle das Vorfeld. 
 
Noch einmal das Vorfeld
 
Lesen wir weiter im Text. Am besten laut, dann hören wir gleich, wo etwas ungewohnt klingt. Achten wir auf das Vorfeld:
 
Von Montag bis Samstag arbeiteten die Schwestern für einen schmalen Lohn. Dennoch wollten sie nicht zurück nach Russland. Die jüngere bekam in Deutschland bessere Medikamente für ihr krankes Herz. Die ältere hatte ihren Buben in eine deutsche Schule verpflanzt. Da hatte er schon Wurzeln geschlagen. Nur Sergey war wirklich unzufrieden. Er würde nicht ewig mit einem Gabelstapler auf einem Fabrikgelände herumfahren und Paletten von einer Stelle an die andere transportieren. Er war Jockey und Rennfahrer von Beruf, er wollte wieder mit Pferden arbeiten. Im Frankenland gab es kaum Pferdehöfe. In Oberbayern stehen viele. Als er das hörte, fuhr er nach Oberbayern und klapperte da die Höfe ab. Schon der dritte Bauer stellte ihn an. Jetzt hatte er seine Arbeit mit Pferden. Oben saß er allerdings nicht, so wie früher. Oben saßen die geschmückten deutschen Weiber, die sich vor ihren eigenen Tieren fürchteten. Sergey stand unten und hatte eine Mistgabel in der Hand.
 
Haben wir hören können, wo der Wind laut durch den Satz geblasen hat?
 
In Oberbayern stehen viele.
 
Das ist wirkungsvoller, als wenn wir die lokale Ergänzung am Ende ließen wie gewohnt: Viele stehen in Oberbayern.
 
Und noch einmal, ganz deutlich:
 
Oben saß er allerdings nicht, so wie früher. 
Oben saßen die geschmückten deutschen Weiber.
 
Hätten wir nur angeben wollen, wo sich die Hintern der geschmückten Weiber befinden, dann hätte es genügt, sie nach der bisher bestimmten Reihenfolge antreten zu lassen: Ein Pferd, Sergey und ein paar Frauen. Voilà – die Frauen sitzen oben und Sergey steht unten. Aber da es hier weniger um eine Ortsbestimmung geht als um die soziale Hierarchie in Sergeys neuer Umgebung, ist es angezeigt, die lokale Ergänzung zu markieren. Sogar zweimal hintereinander. Das ist an dieser Stelle sinnvoll, die Wiederholung hebt den sozialen Gegensatz hervor zwischen dem Pferdemann und den betuchten Damen. 
 
Achtung – Inflationsgefahr!
 
Ansonsten gilt aber für das Markieren eine gewisse Zurückhaltung. Eine Häufung – Nach Oberbayern ging er. Die Höfe klapperte er ab. Ihn stellte schon der dritte Bauer an. Seine Arbeit mit Pferden hatte er jetzt – würde überspannt wirken. Überhaupt ginge die Wirkung des Markierens verloren durch inflationären Gebrauch: Wir wollen doch gerade das Besondere hervorheben. Dann darf es nicht in jedem Satz so zugehen.

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