K 8 – Dramaturgie der freien Angaben

9 Juli 2016
Wie frei sind freie Angaben?

Regellos verhalten die Angaben sich also nicht. Wohin sie jeweils wandern im Satz, das verdankt sich letztlich demselben dramaturgischen Prinzip wie die Positionierung der Objekte. Je unerwarteter, dramatischer die Information, desto weiter hinten wird sie erscheinen. Und frei in diesem Sinne, dass wir sie nicht für alle Zeit auf einer Position festnageln können, sind mit Ausnahme der Verben alle Satzglieder. 

Aber frei bedeutet eben nicht, dass man sie wie aus der Streudose frei über den Satz verteilen könnte. Es wäre grammatikalisch völlig korrekt, aber dramaturgisch nicht besonders sinnvoll, wenn wir etwa sagten:

Subjekt Verb          Objekt      MO                       LO
Sergey verdiente   gut Geld   mit den Pferden   in der Sowjetunion.

Grammatikalisch korrekt vs dramaturgisch sinnvoll

Dass seine Karriere nicht in Deutschland verlief, wissen wir ja schon, wozu sollte man also diese lokale Angabe so wichtig nehmen? Ungeschickt bliebe es auch, wenn wir der modalen Angabe den Ehrenplatz zuweisen:

Subjekt Verb          Objekt       LO                            MO 
Sergey verdiente   gut Geld   in der Sowjetunion   mit den Pferden.

Wir kennen doch Sergey! Womit sonst hätte der sich denn seine Rubel verdienen können? Mit Devisenspekulation? Sehr viel besser würde also eine solche Konstruktion passen:

Subjekt Verb         LO                               MO                         Objekt
Sergey verdiente   in der Sowjetunion     mit den Pferden      gut Geld.

Das ist die Neuigkeit: die Kohle, die der Mann mal besaß!
Lokale Angabe – verkappte Angaben zur Zeit

Und wenn wir ganz genau hinsehen, entdecken wir in der Sowjetunion vielleicht sogar noch eine kleine Überraschung. Die ist nämlich gar nicht so unbedingt als Ort aufzufassen, sondern mit mindestens eben so viel Recht als Zeitraum. Weshalb wir diese scheinbar lokale Größe problemlos mit einem eindeutig temporalen Adverb kombinieren und beide auf die erste Position setzen können, ohne dabei die Regel zu verletzen, nach der hier immer nur ein Satzglied stehen darf:

Damals ❘ in der Sowjetunion verdiente Sergey   mit den Pferden  gut Geld.
TE                                             Verb        Subjekt   MO                     Objekt

So manches LO stellt sich da bei genauem Hinsehen als ein verkapptes TE dar, das weniger über einen Ort als über Zeitliches spricht. Natürlich erweckt der Name eines Landes mehr Assoziationen als die blasse Angabe zur Zeit. Aber innerhalb unseres Textes denken wir bei in Russland wohl doch weniger an die russischen Weiten und eher an eine Epoche, in der für Sergey vieles anders war als heute. 



Verb, Subjekt, Objekte, Ergänzungen und Angaben – die Satzglieder hätten wir nun alle besprochen. Aber zu Ende ist unser Grammatikblog nicht. Denn ein paar offene Fragen gibt es ja noch: Wie es weiter ging in Kasachstan zum Beispiel. Warum Sergey seine Heimat verlassen hat, gerade auf dem Zenit seiner Karriere. Und was sich eigentlich auf der Position I so alles im Satz herumtreibt.

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