K 4 – Das Akkusativobjekt

18 Juni 2016
Raubkatzen
 
Um als Objekt aufzutreten, braucht das Nomen ein Verb, das nach ihm ruft. Die weitaus meisten Verben (mehr als 4500) rufen nach dem Akkusativobjekt. Man nennt sie transitive Verben. Transitiv bedeutet „zielend“, und genauso stellt Salli sich diese Verben vor – Raubkatzen, die ihre Krallen ausgefahren, die Reißzähne entblößt haben und sprungbereit auf ihr Objekt schauen:
 
Ich liebe dich! Ich hasse dich! Zerreiße, zerfetze, fresse dich!
 
Solange es sich bei dem Objekt der Begierde um eine Sache handelt, ist ja nichts dabei: Salli kocht einen Kaffee – natürlich käme sie nie auf die Idee, einen ihrer Schüler weich zu kochen, aber kochen als transitives Verb wäre quasi schon auf dem Sprung dazu. Auch wenn das Verb sich harmlos stellt – Salli unterrichtet doch nur einen Schüler – so ist bei näherem Hinsehen dieser Schüler ein ihr ausgeliefertes Objekt: Sie wird ihn nicht in Ruhe lassen und mit Grammatik bewerfen, ob er will oder nicht. 
 
Was ein kleines Präfix bewirkt
 
Apropos bewerfen: nicht wenige Verben, die für sich ein friedvoll intransitives Leben führen, nehmen sofort die schneidige Haltung von Transitiva an, wenn sich ihnen bestimmte Vorsilben an die Brust heften, speziell die Vorsilbe be-. Dann wird aus werfen nach – bewerfen, aus steigen auf – besteigen. 
 
Akkusativobjekte und Atmosphäre
 
Und schon stellt sich mit dem Akkusativobjekt eine Änderung in der Atmosphäre ein: Wenn Salli Gardinen abnimmt, dann steigt sie, klein wie sie ist, auf ihren Schreibtischstuhl, gebraucht also eine Präpositionalphrase ohne irgendwelche Herrschaftsgelüste gegenüber dem Stuhl. Wohingegen ein Sportler einen Berg im – eingestanden oder nicht – Triumph besteigt ebenso wie Sergey Dyck noch das wildeste Pferd der Welt und es sich dabei physisch wie grammatikalisch untertan macht. Salli kocht Kaffee für Dyck ebenso wie für Anselm, aber sie bekocht keinen der beiden – letzteres würde die Intimität eines Herrschaftsverhältnisses unterstellen, wie es in einer Ehe vorliegen mag – und so weit sind wir noch lange nicht.
 

Hier hat das be- eine besorgte Wohnungsbaugesellschaft dazu inspiriert, Körperverletzungen auf ihrem Grundstück zu untersagenZumindest soweit "Fremdpersonen" betroffen sind.

 
Täter und Opfer
 
Soweit das Subjekt als Täter auftritt, kann man sich das Akkusativobjekt also als Opfer vorstellen, mindestens als jemanden, der dem Täter-Subjekt ziemlich ausgeliefert ist. Jemanden oder etwas – denn natürlich sind es oft Dinge, die transitive Verben ins Visier nehmen. Übrigens sagt uns der Name Akkusativ selbst schon einiges über sich. Er leitet sich ab von dem lateinischen Verb accusare (modern noch vorhanden im englischen to accuse), was anklagen bedeutet. Auch wenn natürlich nicht jedes transitive Verb sein Objekt anklagt – den Blick der Raubkatze hat es prinzipiell darauf gerichtet.
 
 
Inhumaner Akkusativ?
 
Das hat innerhalb der Linguistik einmal dazu geführt, von einem „inhumanen Akkusativ“ zu sprechen. Gemeint war tatsächlich, dass man mittels transitiver Verben (letztlich also einer unschuldigen grammatikalischen Form) real lebende Menschen unterdrücken könne. Diese Auffassung geht nun wirklich etwas zu weit, entsprechend schnell war sie wieder vom Tisch.
 
Die Form
 
Seiner äußerlichen Gestalt nach ist der Akkusativ dem Nominativ nahe. Nur bei drei Personalpronomen und den maskulinen Nomen ändert sich etwas: Aus der und ein wird den bzw. einen, aus er ihn, aus ich mich, aus du dich.

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